Geschichte der Büste der Nofretete in Berlin (Neues Museum)
Die Büste der Nofretete ist eine der berühmtesten und schönsten Skulpturen der Welt. Es handelt sich um ein Kunstwerk aus dem alten Ägypten, das sich heute im Neuen Museum in Berlin befindet. Viele Fragen drehen sich um diese Büste: Wer war Nofretete? Wofür war sie bekannt? Wie sah sie aus? Wie wurde die Nofretete-Büste entdeckt und wie gelangte sie nach Berlin? Warum hat sie nur ein Auge? Und warum ist sie so berühmt geworden?
Schauen wir uns zunächst die ursprüngliche, antike Geschichte des Werkes an, bevor wir uns der modernen Geschichte zuwenden.
Wer war Nofretete? Wofür war sie bekannt? Wie sah sie aus?
Nofretete war die Frau von Echnaton, dem berüchtigten Pharao, der eine neue monotheistische Religion des Sonnengottes einführte, die die Anbetung aller anderen Götter verdrängte. Er selbst stellte sich als Inkarnation des Sonnengottes dar. Nofretete diente ab den 1350er-1330er Jahren v. Chr. (vor fast 3,5 Tausend Jahren) als seine Königin. Das Königspaar lebte in Echnatons neuer Hauptstadt Amarna, etwa auf halbem Weg zwischen Kairo und Luxor.
Nofretete taucht in vielen Kunstwerken neben Echnaton auf, ebenso wie ihre Töchter (siehe Foto unten). Dies sind keine beiläufigen Bilder des Königspaares: Sie haben einen gewissen Sinn. Die offizielle Botschaft von Echnatons Herrschaft lautete: Der Aten oder die Sonnenscheibe ist der einzige Gott und er ist für alles Leben verantwortlich. Die Symbole des Lebens sind deutlich sichtbar: das Anch-Symbol (auch Ankh oder ägyptisches Kreuz genannt), aber auch Fruchtbarkeitsmotive, wie eine Horde von Kindern, die auf ihren Eltern herumklettern oder ein dicker Bauch und breite, gebärfreudige Hüften. Diese werden durch den schlanken Hals und die schlanken Gliedmaßen und den übergroßen Kopf abgesetzt. Dies sind Züge, die sich durch das gesamte Familienporträt ziehen - nicht, weil jemand tatsächlich so aussah, sondern weil diese Bilder die Ideologie fördern sollten. Man kann sie als "Wahlkampfplakate" bezeichnen! Die Körper der königlichen Familie wurden als Vehikel zur Förderung der Parteilinie genutzt.
Dies sehen wir auch an der berühmten Büste der Nofretete. Der lange Hals, der übergroße Kopf - hier noch mehr übertrieben durch die hoch aufragende Krone, die sie trägt und die Vorwölbungen von Hals und Kinn. Das sind Merkmale, die wir in den Porträts der ganzen königlichen Familie sehen; das ist zunächst nichts Ungewöhnliches. Obwohl dieses Kunstwerk den Ruf genießt, unvergleichlich zu sein - und es ist auf eine ganz bestimmte Art einzigartig - ist es nicht einzigartig in seiner schlichten Schönheit, wie wir vielleicht denken würden.
Warum und wie ist die Büste der Nofretete so berühmt geworden?
Wir müssen ins 19. Jahrhundert zurückgehen: in die Zeit der so genannten "Big Digs" („Das große Graben“), der archäologischen Ausgrabungen im großen Stil. Es tobte der Wettbewerb zwischen den Nationen auf der Suche nach großen, spektakulären Kunstwerken!
Die einflussreichste Gruppe, die die Ausgrabungen Deutschlands unterstützte, war die Deutsche Morgenländische Gesellschaft. Sie finanzierte auch Ausgrabungen in Babylon, die dazu führten, dass das berühmte Ischtar-Tor nach Berlin gebracht wurde. Mitbegründer der Gesellschaft war der Berliner Textilindustriemagnat James Simon (nach ihm ist das neue Besucherzentrum auf der Museumsinsel, die James-Simon-Galerie, benannt). Simon beschloss, eine Ausgrabung in Ägypten, in Echnatons Hauptstadt Amarna (damals Akhetaten), mit seinem privaten Geld zu finanzieren und erwarb sogar selbst die Grabungsgenehmigung. Im Gegenzug erhielt Simon das alleinige Eigentum am deutschen Anteil der Funde. (Damals wurden die Funde oft zwischen dem Land, in dem die Ausgrabung stattfand, und dem Land, dessen Archäologen dort arbeiteten, aufgeteilt; diese Aufteilung wurde "Partage" genannt, vom französischen Wort für "teilen").
Für James Simon war dies ein unglaublicher Deal, der bald mehr Bedeutung erlangen sollte, als alle erwartet hatten. Im ersten Jahr der Ausgrabungen in Amarna, 1911, fand der mit den Ausgrabungen beauftragte Archäologe Ludwig Borchardt keine spektakulären Objekte. Aber das zweite Jahr machte das mehr als wett. Borchardt entdeckte zahlreiche Porträts von Echnatons Familie, ein spektakulärer Fund.
Wann und wie wurde die Nofretete-Büste gefunden?
1912 grub Borchardt in Amarna in den Ruinen eines alten Hauses. Das Haus war als Eigentum eines Bildhauers namens Thutmose identifiziert worden. (Sein Name und seine Berufsbezeichnung wurden auf einer elfenbeinfarbenen Pferdescheuklappe gefunden, die in der Nähe eines gewöhnlichen Künstlerateliers gefunden wurde...). Eine Büste von Amenhotep IV. war bereits in Raum 19 gefunden worden, ebenso wie andere interessante Fragmente. Dann... sahen sie einen "hautfarbenen Hals" in den Trümmern... Die Ausgräber legten ihre Werkzeuge beiseite und enthüllten mit ihren Händen zunächst den unteren Teil der Büste und dann den blauen Kopfschmuck. Das Porträt der Nofretete war nahezu unversehrt. Borchardt bemerkte, dass die Farben noch so hell waren, dass sie wie "frisch gemalt" wirkten. Fehlende Teile des Ohres wurden gesucht und entdeckt; das fehlende Auge wurde ebenfalls gesucht, aber nie gefunden. Erst später, schrieb Borchardt, bemerkte er, dass dieses Auge nie an seinen Platz gesetzt worden war; die Büste war also nie fertig gestellt worden. Genau wie Borchardt's Ausgrabung: er veröffentlichte nie einen vollständigen Bericht darüber und konnte nach Ausbruch des Ersten Weltkriegs 1914 an der Fundstelle nicht weiterarbeiten.
Die Büste wurde unter fragwürdigen Umständen aus dem Land gebracht. Borchardt musste seine Funde dem örtlichen Antikenministerium mitteilen. Wie die Diskussion über diese Funde jedoch verlief, ist unklar. Aus Borchardt's eigenen Äußerungen in Briefen an Freunde geht jedoch hervor, dass er zumindest versucht hat, durch das Weglassen von Informationen einen Nutzen zu ziehen: Er listete die Büste zusammen mit anderen Gipsskulpturen auf, die er exportieren wollte, in der Hoffnung, dass niemand fragen würde, um was es sich dabei handelte und dass die scheinbar besseren Steinobjekte in und für Ägypten verbleiben würden. Bei der persönlichen Inspektion seiner Funde betete er, dass die Inspektoren die Aufbewahrungskiste mit der Büste nicht öffnen würden. Er schrieb sogar, dass er ein Foto des Stücks ausgewählt habe, "damit man die volle Schönheit der Büste nicht erkennen kann, obwohl es ausreicht, gegebenenfalls jedes spätere Gespräch unter Dritten über eine Verschleierung zu entkräften". (Link) Er warnte auch seine deutschen Kunstmäzene davor, über die Funde zu sprechen, bis sie sicher aus Ägypten heraus gebracht worden sind - denn wenn die Ägypter Wind von den prächtigen Artefakten bekämen, würden sie diese vielleicht behalten wollen.
Dies wirft kein gutes Licht auf Borhardts Moral, um es freundlich auszudrücken. Obwohl zu der damaligen Zeit andere Sitten und Gebräuche herrschten, fällt es aus heutiger Sicht schwer, nicht ohne Skrupel darauf zurückzublicken.
1920 übergab James Simon die Büste zusammen mit anderen Funden aus Amarna an die Berliner Museen.
Wer besitzt die Büste der Nofretete? Debatten und Kontroversen
Die Umstände, unter denen die Büste entdeckt und aus Ägypten nach Berlin gebracht wurde, haben zu einer der beiden großen aktuellen Debatten um dieses Stück geführt: Wem gehört die Büste der Nofretete wirklich? Nicht nur wegen der möglicherweise verdeckten Operation, um sie außer Landes zu bringen, sondern weil Ägypten selbst zu dieser Zeit von den Briten regiert und die Antiquitäten von den Franzosen verwaltet wurden. Ägypten und die Ägypter selbst hatten also kein Mitspracherecht, was aus ihrem kulturellen Erbe geschehen sollte.
Obwohl Ägypten formell um die Rückgabe der Büste gebeten hat, gab es von Seiten des Neuen Museums keine Reaktion. Dass das Museum 2012 den 100. Jahrestag der Entdeckung mit einer Ausstellung über Amarna feierte, ist nicht nur eine Hommage an die archäologische Forschung, sondern auch an den Besitz.
Wie hoch ist der Preis der Nofretete-Büste?
Ihr Wert wurde vor einigen Jahren von einer Versicherungsgesellschaft auf 390 Millionen Dollar geschätzt.
Die andere große aktuelle Debatte über die Büste ist sehr fortschrittlich und fokussiert auf neue Technologien zum 3D-Scannen und Drucken von Objekten. Im Jahr 2016 behaupteten zwei Künstler, die Büste im Neuen Museum gescannt und zu einem sehr präzisen digitalen 3D-Modell verarbeitet zu haben. Seitdem hat sich (vor allem durch die Arbeit von Cosmo Wenman) herausgestellt, dass ein solcher Scan nicht möglich gewesen wäre und das 3D-Modell womöglich doch aus dem Museum selbst stammt. Seither wurde dieses Modell der Öffentlichkeit zugänglich gemacht - nicht vom Museum selbst, sondern von Wenman. Dieser argumentierte, dass "Museen keine Aufbewahrungsorte für geheimes Wissen sein sollten" - und jeder, der über die entsprechenden Ressourcen verfügt, die Möglichkeit haben sollte, die Informationen herunterzuladen und in 3D zu drucken.
Dieser Artikel wurde zuerst auf https://museums.love veröffentlicht.
Stephanie Pearson
Gründerin, museums.love
Seit 2012 bildet die Berliner Museumsinsel für mich als Guide, Übersetzerin und Dozentin eine Art Zuhause. Mir liegt am Herzen, den Besuchern die besten Stories aus den Museen zu erzählen. Dies auch noch digital zu machen, erlaubt mir immer wieder die Berliner Kulturszene aus neuen Perspektiven zu erleben.